Trotz der genannten Vorteile von EDI ist die Verbreitung von elektronischem Datenaustausch bisher in vielen Branchen gering. Grund dafür ist, dass EDI nach wie vor als teures Projektgeschäft gilt,
was stark von der Machtverteilung zwischen Kunde und Lieferant beeinflusst ist.
Da den Beteiligten in den IT-Abteilungen bewusst ist, dass eine EDI-Verbindung zwischen zwei Firmen mit hohem Aufwand verbunden ist, tendieren sie dazu, die Geschäftspartner nach Möglichkeit zu
einem von ihnen unterstützten Datenformat und Übertragungsweg zu zwingen. Weil die größere Firma oft die bessere Position in diesen Verhandlungen besitzt, werden häufig die kleineren Firmen dazu
verpflichtet, die Kommunikationsstandards ihrer größeren Geschäftspartner zu unterstützen - d.h. die Firma mit der kleineren IT-Abteilung wird mit größerer Komplexität belastet. Deshalb lehnen
kleinere Firmen den Einsatz von EDI häufig als zu aufwändig ab.
Die heterogene Machtverteilung ist auch der Grund dafür, dass sich bislang kein EDI-Standard durchsetzen konnte. Wichtige Standards wie EDIFACT werden von einigen Branchen auf eigene Art
interpretiert (sog. „Sub Sets“), so dass eine Kommunikation mit EDIFACT ähnliche Aufwände hervorruft, wie eine Kommunikation mit einem beliebigen anderen Format. Andere Standards wie VDA sind sehr
branchenspezifisch und nicht allgemein einsetzbar.
Interessanterweise mangelt es im EDI-Kontext nicht an Standards, im Gegenteil: es gibt viel zu viele. So wurde bereits im Jahr 1986 der erste EDIFACT-Standard veröffentlicht. Heute existieren
neben den gängigen Standardformaten wie bspw. EDIFACT, openTrans, VDA, SAP-iDoc etc. auch unzählige proprietäre Formate der verschiedenen ERP-Systeme, weshalb EDI meist als aufwändiges
Projektgeschäft zur Umsetzung bilateraler Anbindungen zwischen einem Kunden und seinen „großen“ Lieferanten angesehen war.
Vor diesem Hintergrund entstand zusammen mit dem VDMA, dem FIR an der RWTH Aachen und einem Konsortium aus ERP-Herstellern und Maschinenbauunternehmen der Quasi-Standard „myOpenFactory“ (DIN-PAS
1074). Dieser Standard, der als „Kleinster gemeinsamer Nenner“ aus den zuvor genannten Standardformaten entwickelt wurde, steht im Zentrum der gleichnamigen EDI-Plattform. Heute sind bereits über 800
Firmen an die myOpenFactory-Plattform angeschlossen, darunter nahezu alle relevanten Lieferanten für den Maschinen- und Anlagenbau.
Im Prinzip fungiert myOpenFactory als neutrale Datendrehscheibe: Bei der Kommunikation über myOpenFactory werden die Daten des Absenders zunächst in den myOpenFactory-Standard übertragen. Für den
Empfänger werden die Daten aus diesem dann wieder in das jeweils benötigte Datenformat überführt. Auf diese elegante Art und Weise können alle miteinander kommunizieren und benötigen dafür genau eine
technische Anbindung, vom eingesetzten ERP-System zur myOpenFactory-Plattform.